Das Wirtschaftsgefüge rund um den Globus wird immer komplexer und Handelskonflikte sowie militärische Spannungen bringen diverse Risiken für die Volkswirtschaften, für Unternehmen und Finanzinstitutionen mit sich. Für Banken ist in einer solchen Unsicherheitslage proaktives Risikomanagement wichtiger denn je. Worauf es dabei zu achten gilt, wie Szenarien definiert, quantifiziert und entsprechende Mitigationsmaßnahmen abgeleitet werden, ist im aktuellen FIRM-Positionspapier zusammengefasst.
Die Autoren Gerold Grasshoff, Dr. Til Bünder und Emilia Zimermann beschäftigen sich mit den potenziellen Auswirkungen der jüngsten Entwicklungen in China, dem Nahen Osten und dem politischen Kurswechsel der USA. Im Fokus der Analyse stehen deutsche und europäische Banken: Wie wirken sich geopolitische Risiken auf deren Kredit-, Markt-, Liquiditäts-, Geschäfts-, Sanktions-und Cyberrisiken aus?
China wird zur Herausforderung
Deutschlands enge wirtschaftliche Verflechtung mit China wird zu einer wachsenden Herausforderung, und eine mögliche Verschlechterung der Handelsbeziehungen bis hin zur militärischen Eskalation in Taiwan sind ein immenses Risiko für die deutsche Wirtschaft und Bankenindustrie. China ist Deutschlands größter Lieferant und viertgrößter Exportmarkt, mit 12 Prozent der deutschen Importe und 6 Prozent der Exporte. Besonders betroffen sind Schlüsselbranchen wie Automobilbau, Chemie und Elektronik. Die direkte Kreditexposition deutscher Banken gegenüber chinesischen Unternehmen beläuft sich auf 36 Milliarden Euro, während weitere 220 Milliarden Euro indirekt durch Investitionen deutscher Firmen in China gefährdet sind.
Erhebliche Abhängigkeiten
Diese Zahlen verdeutlichen die erheblichen Handels-und Investitionsabhängigkeiten zwischen Deutschland und China. Sollten die aktuellen Spannungen weiter eskalieren und zu Sanktionen oder strengen Handelsbeschränkungen führen, könnten mehrere deutsche Branchen mit Herausforderungen in der Lieferkette konfrontiert sein, was sich möglicherweise auf die Zahlungsfähigkeit und Kreditwürdigkeit der Kreditnehmer auswirkt. Darüber hinaus stellen Chinas Ambitionen, bis 2035 eine Führungsrolle im Bereich der Cyberfähigkeiten zu übernehmen – derzeit sind 45 Prozent der Cyberangriffe auf deutsche Firmen damit verbunden – ein wachsendes Cyberrisiko für westliche Institutionen dar.
Kaum Belastungen aus dem Nahen Osten
Auch im Nahen Osten bestehen Risiken, wenngleich die direkte Exposition deutscher Banken gegenüber Konfliktregionen wie Iran, Israel oder Libanon begrenzt ist. Der Golfraum, insbesondere Saudi-Arabien, bleibt ein wichtiger Markt, vor allem durch Großprojekte wie „Vision 2030“. Allerdings ist die Abhängigkeit Deutschlands von Ölimporten aus der Region auf 6 bis 7 Prozent gesunken, was das Risiko etwas mindert. Betroffen sein könnten vor allem Projektfinanzierungen und Asset-Management-Dienstleistungen in den Golfstaaten.
USA werden zum Risikotreiber
Die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten bringt erhebliche Unsicherheiten für europäische Banken mit sich, und materielle Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft durch die „America First“-Politik und Deregulierung der Trump-Administration sind zu erwarten. So können protektionistische Maßnahmen, wie mögliche Zölle von bis zu 10 Prozent auf europäische Exporte, deutsche Unternehmen stark belasten und zu einer GDP-Reduktion von 120 bis 150 Milliarden Euro in Deutschland führen.
Entsprechend umfassend sind die Auswirkungen auf Banken. Das indirekte Kreditrisiko könnte daher spürbar steigen, da circa 90 Prozent aller deutschen Firmen Handelsbeziehungen mit den USA pflegen. Beim Marktpreis- und Liquiditätsrisiko wird erwartet, dass die Politik der neuen Administration perspektivisch einen Anstieg des Dollarkurses und der Inflation auslöst, was zu Zinserhöhungen in den USA, und in Kombination zu höheren Fundingkosten deutscher Banken führen könnte – die Auswirkung auf die europäische Zins-und Geldpolitik sind dann schwer vorherzusagen.
Das aktuell größte Risiko scheint aber, dass sich durch den geänderten Kurs der US-Regierung andere geopolitische Krisen verschärfen. Das gilt insbesondere für China.
Szenarioanalysen sind die Basis
Vor diesem Hintergrund empfehlen die Autoren den Aufbau eines integrierten geopolitischen Risikomanagements, das regelmäßig aktualisierte Szenarioanalysen und Sensitivitätsberechnungen umfasst. Banken sollten klare Eskalationsstufen definieren und Notfallpläne entwickeln. Wichtige Maßnahmen sind die Reduzierung der Abhängigkeit von einzelnen Märkten, der Aufbau alternativer Lieferantenstrukturen und der Einsatz moderner Technologien zur Überwachung von Lieferketten. Besonders hervorgehoben werden Investitionen in fortschrittliche Cyberabwehrsysteme, regelmäßige Penetrationstests und Schulungen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Banken wird geraten, ihre Kreditrichtlinien anzupassen, Stressszenarien zu simulieren und Risikopuffer zu schaffen.
Wichtiger Dialog mit der Aufsicht
Auch der Aufbau eines kontinuierlichen Dialogs mit internationalen Aufsichtsbehörden und politischen Entscheidungsträgern wird empfohlen. Zudem sollten Finanzinstitute ESG-Kriterien in ihre Risikoanalysen einbinden, um nachhaltige Investitionen und langfristige Stabilität zu fördern.
Die wichtigste Empfehlung an Banken lautet, durch proaktives Risikomanagement, detaillierte Szenarioanalysen und die Integration geopolitischer Faktoren ihre Widerstandsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit in einem volatilen Umfeld zu sichern.
Einen umfassenden Leitfaden für den Umgang mit geopolitischen Herausforderungen im Finanzsektor finden Sie im Positionspapier (auf Englisch), das hier zum Download bereitsteht.
Das Frankfurter Institut für Risikomanagement und Regulierung (FIRM) steht für einen engen Austausch zwischen Banken und Verbänden, Initiativen und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und dem Land Hessen. Ein Ziel von FIRM ist die Förderung von Lehre und Forschung rund um das Thema Risikomanagement und Regulierung – insbesondere mit Blick auf die Finanzwirtschaft – sowie eine enge Vernetzung. Neue Impulse in der Aus- und Weiterbildung von Risikomanagern setzt FIRM u.a. in Kooperation mit der Goethe Universität.
Besuchen Sie die Webseite der GBS für einen Einblick in den Kurs Hot Topics in Practical Risk Management, der von Gerold Grasshoff und Dr. Til Bünder mitgestaltet wird und als Elective in der Risk Management & Regulation Spezialisierung des Master in Finance angeboten wird.