Künstliche Intelligenz: Anwendungen im Bildungswesen (2024)

Künstliche Intelligenz ist seit der Veröffentlichung von beeindruckenden Anwendungen wie ChatGPT und Midjourney zu einem beliebten Diskussionsthema geworden. Einem Bericht von Reuters zufolge hat ChatGPT innerhalb von nur zwei Monaten nach seiner Veröffentlichung über 100 Millionen Nutzer gewonnen. Die Goethe Business School setzt schon seit vielen Jahren auf eine starke digitale Toolbox, um Studierenden den größtmöglichen Nutzen durch digitale Tools im Rahmen ihrer Managementausbildung zu bieten. Andrea Anderheggen, CMO bei MaxBrain, dem Technologiepartner der Goethe Business School, gibt uns einen Überblick über die spannenden Möglichkeiten der Zukunft der Bildung.

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Seit Anfang 2023 hat die KI zahlreiche Branchen verändert, vor allem die Bildung. Der zunehmende Trend, ChatGPT für das Lernen zu nutzen, spiegelt diesen Wandel wider. Was halten Sie von dieser Entwicklung?

ChatGPT ist das bisher am schnellsten wachsende Endnutzerprodukt in der Geschichte der Menschheit. Gemäß einem Bericht von Reuters hat es ChatGPT geschafft, innerhalb von nur 2 Monaten nach Veröffentlichung über 100 Millionen Nutzerinnen und Nutzer zu gewinnen. Tausende Videos auf YouTube erklären heute schon, wie man diese neue Technologie nutzt, um Sprachen, Programmieren, Geschichte, allgemeine Lebensfragen und vieles mehr zu lernen. Darüber hinaus stellt die künstliche Intelligenz neue Anforderungen an den Menschen in Bezug auf sein Verständnis, seine Kritikfähigkeit und seine ethischen Grundsätze.

Können Sie uns als Lernexperte einen Einblick in die KI-Anwendungen geben, von denen Sie den größten Nutzen/Risiko für die Bildung erwarten?

Einige der folgenden Anwendungen nutzen wir bereits täglich als Teil unserer Lerninhaltsdienste. Darüber hinaus planen wir, weitere von ihnen in die Entwicklung der MaxBrain-Lernplattform für Studierende und Alumni der Goethe Business School einzubinden. Das Thema Künstliche Intelligenz für das Bildungswesen ist allerdings sehr umfangreich. Zudem werden sich viele unserer Prognosen mit hoher Wahrscheinlich als falsch, einseitig oder kurzsichtig erweisen. Ein Blick auf diese faszinierenden Zukunftsperspektiven lohnt sich trotzdem.

  • Texte Dank künstlicher Intelligenz schneller erstellen: Wer ChatGPT nach bekannten Themen abfragt, erhält sofort eine Antwort, die qualitativ in den Top-10% möglicher Antworten liegt. Die heutigen Anwendungen sind in beeindruckender Qualität verfügbar. Statt 30 Minuten lang drei A4-Seiten korrigieren, kann das ChatGPT innerhalb von 15 Sekunden oder weniger erledigen. Es kann auch die Sprache mithilfe künstlicher Intelligenz vereinfachen oder den Tonfall ändern. Aktuelle KI-Tools sind jedoch noch weitgehend auf Datenquellen aus dem Internet oder Lernprozesse in Interaktion mit Menschen oder internen Daten angewiesen. Aktuelle KI-Tools sind jedoch noch weitgehend auf Datenquellen aus dem Internet oder Lernprozesse in Interaktion mit Menschen oder internen Daten angewiesen. Sofern Kreativität darin besteht, existierende Informationen neu zu kombinieren – und das tut sie meistens –, kann die künstliche Intelligenz atemberaubend kreativ sein. Einige Experten erwarten bereits mittelfristig, dass künstliche Intelligenz eigenständig Forschung & Entwicklung leisten kann – mit radikalen Konsequenzen für die gesamte Menschheit. Heute besteht zudem die Gefahr, dass aufgrund falscher Informationen im Internet auch falsche Inhalte von KI-Tools erstellt werden. Dies ergibt sich aus dem Problem nicht zwischen Fakten, Fake News und Halbwahrheiten zu unterscheiden.
  • Konvertierung in andere Medien: Wer Content erstellt, kennt das Problem, passende Bilder zu finden oder selber zu erstellen: Es kann zeitaufwendig sein, ein Bild zu finden, das zu einem spezifischen Thema passt. Mir persönlich fällt es heute jedoch immer noch schwer, in vernünftiger Zeit mittels KI-Tools Bilder zu erstellen. Die künstliche Intelligenz ist jedoch auf dem Vormarsch, und viele Bilder, die ich im Marketing verwende, sind bereits vollständig KI-generiert. Neben schnell wachsenden Startups wie Midjourney, arbeiten weltweite Marktführer wie Adobe mit Hochdruck an dem Thema. Photoshop und andere Software-Tools aus der Adobe Creative Cloud z. B. stehen noch ganz am Anfang ihrer Entwicklung, verbessern aber täglich ihre KI-Funktionen und bieten bereits nützliche Anwendungen für detaillierte Designaufgaben. Audioformate – allen voran Podcasts und Hörbücher – werden immer beliebter. Wer einmal die Möglichkeit entdeckt, die langweilige Zeit beim Staustehen auf dem Arbeitsweg mit Podcasts in wertvolle Lernzeit zu verwandeln wird dauerhaft das Audio-Format wertschätzen und sich gerne daran gewöhnen. In manchen Fällen – etwa bei Berufen, die viel Reisezeit benötigen – sind Audioformate oft die einzige Möglichkeit, während der Arbeit überhaupt Lerninhalte zu konsumieren. Auf der anderen Seite ist Video das bequemste und daher präferierte Format, um Inhalte im Internet zu konsumieren. Das Problem mit Videos ist, dass die Erstellung von Videos für die meisten Content-Ersteller aufwendig und meist teuer ist und Wissen erfordert, das man erst einmal erlernen muss. Künstliche Intelligenz wird die Videoerstellung beschleunigen, ist aber erst in der Entwicklung. Schließlich sind Videos ja letztlich nichts anderes als die Kombination von Inhalten (Texten), Audio und Bildsequenzen. 
  • Predictive Analytics beinhaltet eine Datenanalyse, um künftige Ereignisse oder Ergebnisse vorherzusagen und zu verwerten. An sich keine neue Idee: Viele Tech-Unternehmen und KMUs behaupten, «datengetrieben» zu arbeiten. Die meisten Unternehmen sammeln überhaupt keine Daten – und die wenigen die es tun, verwerten Daten oft nicht oder in geringem Maße. Die große Herausforderung: Aus großen Datenmengen die richtigen Daten zu selektieren und effektiv zu verwerten, ist anspruchsvoll, erfordert einiges an Phantasie und bedeutet oft mehr Arbeit. Was ändert sich also jetzt? Künstliche Intelligenz kann durch neue Querbezüge, schnell, automatisch und gezielt Daten auswerten und wertstiftend einsetzen. Wir stehen hier am Anfang einer Entwicklung, die alle Branchen, auch die Bildung, grundlegend verändern wird!
  • Der persönliche KI-Coach: Eine weitere, für das Bildungswesen bahnbrechende Idee ist die von KI-Coaches, die Lernende individuell begleiten. Wie in anderen Bereichen – etwa in der medizinischen, psychologischen oder juristischen Betreuung – wird unter Experten heute heiß darüber diskutiert, ob jeder Mensch seinen eigenen Coach bekommen sollte, um schneller, einfacher und gezielter zu lernen. Beispielsweise stellte der Gründer und CEO der in den USA sehr erfolgreichen Khan Academy bei einem TED-Talk im Jahr 2023 die Einführung eines KI-Coaches für die Grundschulbildung vor.

Wie verändert die KI die Bildung und die Anforderungen an uns Menschen?

Der Mensch ist der neuen künstlichen Intelligenz, was Emotionalität und Kreativität betrifft, in vielen Teilen noch weit überlegen. Und das gilt auch für Lehrpersonen, Coaches und Mentoren, die das Bildungswesen und damit das Wissen der Menschheit maßgeblich beeinflussen. Trotzdem verändert künstliche Intelligenz das Bildungswesen für immer. Die Bildungsindustrie muss lernen, wie man mit den neuen Möglichkeiten künstlicher Intelligenz umgeht – oder riskieren, an Relevanz zu verlieren.

Als Lernende und Lehrende müssen wir verstehen, mit den Anwendungen, Konsequenzen und Potentiale der neuen künstlichen Intelligenz umzugehen. Künstliche Intelligenz verändert nicht nur unsere Lerninhalte und Lernprozesse, sondern erfordert zudem neue Fähigkeiten und Kompetenzen im Umgang mit KI. Viele der bestehenden menschlichen Kompetenzen wird künstliche Intelligenz komplett übernehmen. Solche Kompetenzen werden für uns selbst obsolet werden. Was das konkret bedeutet, ist noch weitgehend offen. Einige wichtige Fähigkeiten, die wir für die Anwendung von KI-Tools neu oder besser lernen müssen, sind jedoch heute schon absehbar.

  • Wir müssen lernen, Wünsche oder – in KI-Sprache – «Prompts» genauer zu formulieren. Künstliche Intelligenz ist vergleichbar zu einem Flaschengeist: Je genauer wir unsere Wünsche formulieren, desto eher können uns die KI-Tools helfen. Was einfacher gesagt als getan ist.
  • Wir müssen lernen, Informationen kritisch zu hinterfragen. Der Verantwortung, Informationen, Texte, Bilder oder Videos einer künstlichen Intelligenz zu hinterfragen, folgt eine weitere, noch viel schwierigere:
  • Wir müssen uns auf eine allgemeingültige Ethik einigen. Diese neue Anforderung ist vermutlich die schwierigste und irgendwann möglicherweise wichtigste überhauptEs gibt (noch) keine einheitliche Ethik und die Welt wird immer mehr polarisiert oder sogar personalisiert unter den Individuen. Dies führt zu einer sehr schwierigen Frage: Wie sollen wir Menschen einheitliche ethische Richtlinien für künstliche Intelligenz definieren, wenn wir solche Richtlinien nicht einmal untereinander festlegen können?

Welche Probleme ergeben sich Ihrer Meinung nach aus dem Fehlen vereinbarter ethischer Regeln für die Bildung?

Diese und andere schwierige Fragen werden wir beantworten müssen, wenn wir nicht riskieren wollen, dass die Anwendungen künstlicher Intelligenz zum reinen Machtinstrument weniger Interessensgruppen verkommen:

  • Segmentierung vs. Diskriminierung: Wie genau stellt man sicher, dass die Personalisierung von Lernprogrammen über die datengestützte Segmentierung von Lernenden nicht dazu führt, dass einzelne Lernende diskriminiert werden?
  • Freiheit zu lernen vs. Kursempfehlungen: Inwiefern besteht die Freiheit, zu lernen, was man will, wenn durch Kursempfehlungen lediglich die Lerninhalte überhaupt angezeigt werden, die der Algorithmus einer KI besonders als passend für einzelne Lernende ausrechnet?
  • Datenschutz: Wie werden die Daten von Lernenden so eingesetzt und geschützt, dass sie deren Persönlichkeitsrechte nicht verletzen?
  • Kreativität: Wie stellt man sicher, dass Menschen noch kreativ bleiben, wenn eine künstliche Intelligenz Ihnen den Rahmen von Wissen und Kreativität vorgibt?

Welchen Rat haben Sie für Menschen, die sich über die aktuellen Fortschritte der KI Sorgen machen?

«Wissen ist Macht.» wie es Francis Bacon bereits vor rund 500 Jahren klar formulierte. Und Lernen bestimmt unser Wissen. Einmal mehr sehe ich persönlich keine andere Möglichkeit, als den führenden Entwicklern mächtiger Instrumente wie künstlicher Intelligenz einfach zu vertrauen und gelegentlich über Boykotte oder Gesetze in eine akzeptable Richtung zu lenken; so wie wir das bereits mehr oder weniger erfolgreich mit den Erfindern der Atombombe, der Genetik, des Computers, des Internets oder des iPhones tun mussten. Statt die unaufhaltbare Entwicklung künstlicher Intelligenz zu bekämpfen, macht es sehr viel mehr Sinn, ihre Risiken zu minimieren, ihr Potential zu verstehen und sie zum Wohle anderer einzusetzen. 


Den vollständigen Artikel Künstliche Intelligenz: Anwendungen im Bildungswesen (2024) finden Sie auf der MaxBrain-Website, wo Sie einen detaillierteren Überblick und Erfahrungsberichte über neue Tools finden.